"Verantwortung von Unternehmen = Verantwortung der Führungskräfte?
Probleme individueller Verantwortung in Großunternehmen aus juristischer und ethischer Sicht."

Referent: Stefan Kyora, Mitarbeiter am Zentrum für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Uni Konstanz
Betreuung: Frank-Michael Rommert

Die Frage, wer für die Folgen unternehmerischer Tätigkeit die Verantwortung trägt, steht zur Zeit im Zentrum praktischer und theoretischer Debatten. Im Workshop sollen zwei Bespiele diskutiert werden, in denen diese Frage akut wird: Zum einen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes im sogenannten Ledersprayfall, zum anderen der Untergang der Kanalfähre „Herald of Free Enterprise“ vor Zeebrügge. Anhand beider Fälle treten die Schwierigkeiten der Gleichung "Verantwortung von Unternehmen = Verantwortung der Führungskräfte" klar zu Tage.

Ein erstes Problem liegt darin, daß Führungskräfte in Unternehmen häufig nur Prozesse initiieren, deren Ergebnisse sie nicht mehr unmittelbar beeinflussen können. Hier ist dann fraglich, inwieweit sie für die Ergebnisse solcher Prozesse verantwortlich gemacht werden können. Eine zweite Schwierigkeit entsteht dadurch, daß an das Verhalten von Führungskräften bestimmte Erwartungen gestellt werden. Diesen Erwartungen, die von den Anteilseignern aber auch z.B. der Wirtschaftspresse ausgehen, können sie sich nicht ohne weiteres entziehen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist fraglich, ob es eine sinnvolle Strategie darstellt, im Zweifelsfall die Führungskräfte eines Unternehmens für Schädigungen verantwortlich zu machen, die sich aus der Tätigkeit des Unternehmens ergeben.

Im ersten Teil des Workshops sollen die genannten Beispiele unter Zuhilfenahme juristischer und unternehmensethischer Diskussionsbeiträge analysiert werden. Hier soll bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor allem das Bewußtsein für das Problem der individuellen Verantwortung in Großunternehmen geweckt werden.

Im zweiten Teil wird nach Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem gefragt. Diskutiert werden können in diesem Zusammenhang erstens Vorschläge deutscher Juristen, gegen Unternehmen und nicht nur gegen Individuen strafrechtliche Sanktionen zu verhängen. Zweitens könnte der Frage nachgegangen werden, ob die Analyse des Unternehmens als System die Zuschreibung kollektiver Verantwortung an das Unternehmen als Gesamtheit und nicht nur an einzelne Individuen im Unternehmen ermöglicht. Drittens wäre es auch möglich, darüber zu debattieren, inwiefern für eine Verbesserung des Verhaltens von Unternehmen eine Veränderung im ökonomischen und gesellschaftlichen Umfeld der Unternehmen erforderlich ist.